8. Schlussbemerkung
Darüber, ob Etana in der Urfassung sein Ziel erreicht oder nicht,
wurde in der Vergangenheit hauptsächlich debattiert. Mit dem Wissen,
dass sich in der Entwicklung der schriftlichen Aufzeichnungen des
Mythos die Entwicklung der patriarchalischen Gesellschaft wiederspiegelt,
können wir annehmen, dass dieser Teil als Zielvorgabe von Anfang
an dazu
gehörte.
Der Raub des Gebärkrautes steht für die Aneignung der mütterlichen
Gebärfähigkeit, mit der sich der Patriarch die Gebärmacht sichert.
Es handelt sich
um die zentrale Allmachtsphantasie des Patriarchats, wie ich es in
meinem Buch "Der Gott im 9. Monat" (2015) dargestellt habe.
Gerade
mal 8000-6000 Jahre
ist es her, dass sich der Übergang von Matrifokalität zu
Patriarchat gewaltsam vollzog. Der Etana-Mythos ist ein wunderbares
und selten unverblümtes Zeugnis dafür. Die friedliche, matrifokale
Gemeinschaft aller Menschen wurde mit der Salamitaktik ausgehebelt,
bis von unserer angeborenen, mütterlichen Moralität kaum noch etwas
übrig geblieben war. Im
Patriarchat sind Mord, Intrigen, Vorteilsnahme,
Diebstahl und
Sexualverbrechen
bis
heute
an der Tagesordnung.
Es ist auch eine Gesellschaft, in der die/der Ehrliche, Anständige
immer der/die Dumme
ist. In dieser Gesellschaft beten Frauen wie Männer einen männlichen
Gott an, erst gezwungenermaßen dann vertrauensselig, wie die Schlange
es tat; einen Gott, der menstruiert, gebiert, stillt.
Quellen
1. Das Etana-Epos - Ein Mythos von der Himmelfahrt des Königs von Kish. Von Michael Haul. Göttinger Arbeitshefte zur altorientalischen Literatur. Goettingen 2000.
2. Karakum, Geheimnisse der schwarzen Wüste. Fernsehdokumentation. Frankreich 2004.
3. Märchen aus Babylon. Mythen und Sagen des Zweistromlandes. Von Hans Wuessing. Frankfurt 1994.
4. Babylon. Stadt und Reich im Brennpunkt des Alten Orient. Von
Joan Oates. Bergisch Gladbach 1983.
5. Sehnsucht nach
Weltkultur: Grenzüberschreitung und Nichtung im zweiten ökumenischen
Zeitalter. Dissertation von Reinhold Grether. Konstanz 1994.
6. Der Etanamythos in Finnland. Aufsatz von Haavio Martti. Helsinki 1955
7. wikipedia.org
8. Das Gilgamesch-Epos. Übersetzt von Albert Schott. Wolfram von
Soden (Hrsg.). Reclam-Universal-Bibliothek, Stuttgart 1958/1988/2008
9. Der Gott im 9. Monat. Vom Ende der mütterlichen Gebärfähigkeit und
dem Aufstieg der männlichen Gebärmacht in den Religionen der Welt.
Von Gabriele Uhlmann. Norderstedt 2015
Bildzitate
Inhalt, Kapitel 1, 2, 3, 4, 6, 8 aus 2.
Kapitel 7 aus 1.
Kapitel 5 aus 7.
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