4...Die Entdeckung der MATRIFOKALITÄT
Die Ursprünge der Patriarchatsforschung
und ihre Emanzipation von der Matriarchatsforschung
- Einführung
- 4.1. Begriffsklärung
- 4.2. Kleine Geschichte der Erforschung der Matrifokalität
- 4.2.1. Die 8 Phasen der Geschichte der Erforschung der Matrifokalität
- 4.3. Methodik der Herrschenden Lehre am Beispiel eines Textes auf einer Tafel der großen Landesausstellung 2007 in Karlsruhe, "Die ältesten Monumente der Menschheit"
- 4.4. Ideologieverdacht
- Zum Schluss
- ANHANG
Beteiligte Forschungsgebiete - ANHANG Lebenswerke
Marija Gimbutas - Marie E.P.König
- Gerda Lerner
Die neolithische Siedlung Çatal Höyük in Anatolien wurde berühmt, weil die
Thesen des Archäologen und Ausgräbers James Mellaart der Matriarchatsforschung neuen
Aufwind brachten. Er postulierte, dass die Frauen
von Çatal Höyük eine bedeutendere Rolle als die Männer gespielt haben müssten,
und er glaubte, sie hätten Macht innegehabt im Sinne von Unterdrückung.
Wie die Definitionen von STADT im
ersten Teil dieser Arbeit deutlich machen, erschien ihm die Entwicklung
zur Stadt nicht ohne das Mittel der Unterdrückung
möglich. Der Stadtbaugeschichtler Lewis Mumford ging noch einen Schritt
weiter; er glaubte, dass STADT nur durch "männliches Genom",
dessen natürlichen Inhalt er mit patriarchalen Klischees überfrachtete,
möglich sei.
Dem entsprach auch Mellaart, wenn er sagte, dass im ""Dorfe" Hacilar die Männer den Listen der
Frauen völlig unterworfen waren", wohingegen die Stadt Çatal Höyük
von männlicher Potenz- bzw. Fruchtbarkeitssymbolik geprägt gewesen wäre; die zahlenmäßig sehr stark vertretenen Bukranien
und Stier-Bildnisse wurden von ihm in dieser Weise gedeutet. Um so unverständlicher
ist, dass er angesichts dieser Deutung Çatal Höyük überhaupt als eine
von Frauen dominierte Stadt betrachtete. Er konnte also seine Beobachtungen
vor Ort nicht mit seinen Thesen in Einklang bringen, mehr noch, seine Thesen
widersprechen sich sogar.
So ergeht es in den folgenden Jahrzehnten unzähligen ForscherInnen, die
versuchen, die vorpatriarchale Zeit zu verstehen, sich aber nicht von den Voraussetzungen lösen können,
die zu den widersprüchlichen, unlogischen ja abenteuerlichen Gedankengebäuden
führen.
Dieses Phänomen hat seine Ursachen zum einen in einer nicht allgemein vereinbarten
Begrifflichkeit (Nomenklatur). Diese ist ja Voraussetzung für jede seriöse Wissenschaft.
Zum anderen herrscht allgemeine Unkenntnis oder Ignoranz gegenüber der
eigenen Forschungsgeschichte, im Verlaufe derer sich Bedeutungen gewandelt haben. Kommt
es dann zu einem wissenschaftlichen Disput, wird nicht nur aneinander vorbeigeredet,
sondern die herrschende Lehre kann die Mißtände ausnutzen, um unliebsame
Thesen ins Abseits zu stellen oder schlimmer noch, lächerlich zu machen.
Dieses Kapitel soll nun helfen, die angesprochenen Probleme zu beheben. Zunächst empfehle
ich, sich auf eine einheitliche, soziologische Nomenklatur zu
einigen. Die Soziologie liefert uns bereits klare Definitionen, die aber
in der Kulturgeschichte leider unzureichend wahrgenommen
werden. Darauf aufbauend habe ich in Abschnitt 4.2. eine
kleine Geschichte der Erforschung der Matrifokalität herausgearbeitet, der ich die Geschichte der
Matriarchatsforschung fortan unterordnen möchte, und die in ihrer
Kürze den problematischen Bedeutungswandel des Begriffes Matriarchat und
die damit verbundene veränderte Wertung darstellt,
die eine nicht vorhandene oder ignorierte Nomenklatur verursachen. Anschließend
zeige ich an einem Beispieltext in Abschnitt 4.3. auf,
wie aus diesen Missständen ideologischer Profit
gezogen wird. In Abschnitt 4.4. spreche
ich darüber wie mit der Ideologie des Patriarchats
umzugehen ist. Dieser Abschnitt eignet sich natürlich auch zur Selbstreflexion.
4.1. Begriffsklärung
Der Begriff Matriarchat wird wie kaum ein anderer missverständlich und missbräuchlich verwendet. Daher gelingt es der herrschenden Lehre immer wieder, die Existenz nicht patriarchal lebender, matrifokaler Gemeinschaften als unmöglich hinzustellen. Ein Matriarchat, korrekt mit "Mutterherrschaft" übersetzt, lässt sich tatsächlich nirgends archäologisch nachweisen. Auch durch Analogieschlüsse und mythologische Indizien ist in der Urgeschichte kein Matriarchat bzw. eine matriarchale Gesellschaft rekonstruierbar. Dennoch existieren noch in der Gegenwart matrilineare, matrilokale Gemeinschaften, deren Existenz auf die urgeschichtlichen Verhältnisse vor der Bildung patriarchaler Gesellschaften zurückgeht, die auch Gylanie, Matronat, matrizentrische, matristische oder matrifokale Gemeinschaft genannt werden.
Ich verwende ausschließlich den Begriff "matrifokal", weil er sich sprachlich gut von Ideologien abgrenzt, die an der Endung -ismus erkennbar sind.
Matrifokalität ist unser angeborenes Sozialverhalten und keine Gesellschaftsform!
Der Begriff bezeichnet die natürliche Lebensweise in der matrilokalen und matrilinearen Sippe als lebenslangen Schutzraum um alle Mütter und deren weibliche und männliche Kinder. Während dabei Großmütter, Mütter und Töchter ein Kontinuum bilden, leben die Männer als Brüder, Cousins und Onkel. Unter Matrifokalität ist die Vaterschaft natürlicherweise unbekannt. Das Habitat, in dem Matrifokalität gelebt wird, ist DAS MATRIFOKAL (nach Stephanie Gogolin). Im Patriarchat eingeschlossene oder neu gegründete Matrifokale nenne ich Matridurat und Neo-Matridurat.
Auch die Begriffe Gesellschaft und Gemeinschaft werden meist unkritisch synonym verwendet. In der Soziologie sind Gemeinschaften jedoch durch Gemeinschaftseigentum, Konsens und Herrschaftsfreiheit definiert. Gesellschaften hingegen beruhen auf Herrschaft mit Privateigentum und durchgesetzter sozialer Arbeitsteilung. Wir müssen also von egalitären, matrifokalen Gemeinschaften sprechen, wenn wir jede Verwechslung mit Herrschaft ausschließen wollen.
Neben dem Begriff Matriarchat existieren auch die Begriffe Mutterrecht und Gynaikokratie (Frauenherrschaft), die sich als Namengeber aber nie durchsetzen konnten. Auch der Begriff Mutterrecht ist unpräzise und wird ebenso häufig wie "Matriarchat" für eine egalitäre Lebensweise verwendet. RECHT setzt jedoch eine Rechtsordnung voraus, die von Herrschaftsstrukturen durchgesetzt werden muss. Davon auszuschließen ist das Naturgesetz oder auch Naturrecht, das "naturgemäß" ohne Herrschaft gilt, jedoch einer evolutionswissenschaftlichen Definition unterliegt, die immer auch patriarchal kontaminiert sein kann.
Weiterführende Informationen zum Komplex Matriarchat/Matrifokalität mit Gesellschaft/Gemeinschaft finden Sie auf meinem Blog WAHRSCHEINKONTROLLE.
4.2. Kleine Geschichte der Erforschung der Matrifokalität
Die weltweite Geschichte der Erforschung der Matrifokalität hat bis heute 8 Erkenntnisphasen durchlaufen, zu denen die Geschichte der Matriarchatsforschung aber dazugehört. Sie sind in Kürze in der folgenden Übersicht dargestellt, wie sie sich mir nach über 25 Jahren Erfahrung mit Matriarchatsforschung und mit Urgeschichtsforschung darstellen. Eine exakte zeitliche Einordnung findet hier nicht statt, da die Übergänge im Erkenntnisprozess natürlich fließend sind. Weiter unten folgt die Präzisierung der 8 Phasen sowie ein für die Rezeption der Matriarchatsforschung beispielhafter Text.
Erkenntnisphase 1: Johann Jacob Bachofens "Das Mutterrecht".
Gynaikokratie als überwundene niedere Stufe menschlicher Kultur.
Erkenntnisphase 2: Lewis Henry Morgans Befunde und die Rezeption im Marxismus. Matriarchat als Urkommunismus.
Erkenntnisphase 3: Bachofens Mutterrecht und die Rezeption im Rechtsextremismus. Rückschritt: Das gute Patriarchat, das schlechte Matriarchat.
Erkenntnisphase 4: Feministische Matriarchatsforschung, Patriarchatskritik und die Vereinnahmung der Urgeschichtsforschung und Archäologie. Das gute Matriarchat. Das unbewusste Matriarchat C.G. Jungs.
Erkenntnisphase 5: Ideologische Kritik der Matriarchatsforschung, Patriarchatsforschung gewinnt an Bedeutung. Weder ein schlechtes Matriarchat noch ein gutes Matriarchat finden in der herrschenden Wissenschaft Anklang.
Erkenntnisphase 6: Forderung der Frauenforschung nach mehr Objektivität und Demokratisierung archäologischer Befunde und Vereinnahmung der Frauenforschung durch die etablierte Wissenschaft. Stillstand der Matriarchats- und Patriarchatsforschung.
Erkenntnisphase 7: Patriarchatsforschung im Auftrieb: Patriarchatskritik an System und SystemträgerInnen gestern und heute. Natürliche Matrifokalität und unnatürliches Patriarchat.
Erkenntnisphase 8: Patriarchaler Backlash in Gesellschaft und der Herrschenden Lehre. Die Naturwissenschaften liefern neue Erklärungsansätze für die Patriarchalisierung. Patriarchatsforschung kann die Interdisziplinarität weiter ausbauen.
4.2.1. Die 8 Phasen der Geschichte der Erforschung der Matrifokalität
Erkenntnisphase 1:
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ließen erste Funde weiblicher
Figurinen aus der Altsteinzeit die wissenschaftliche Welt aufmerken.
Wurden die Figurinen
auch zunächst als Pornographie abgetan oder belächelt, veränderten sie
dennoch die Sicht auf die Menschheitsgeschichte. Johann Jakob Bachofen
begründete
1861 die Matriarchatsforschung mit seinem Werk "Das Mutterrecht". Er
baute seine Theorie auf der Mythologie sowie auf Reiseberichten der ersten
EthnologInnen
auf. Er prägte allerdings nicht den Begriff Matriarchat (Mütterherrschaft),
sondern sprach von Gynaikokratie (Frauenherrschaft),
deren Prinzip das
Mutterrecht sei. Sie und die Ehe seien von sexuell drangsalierten
Frauen zu ihrem Schutze
eingeführt worden. Dies sei gegenüber der niedrigeren Kulturstufe, die
von "Sumpfzeugung" geprägt gewesen wäre, schon
ein Fortschritt gewesen. Damit
bekannte er sich natürlich zum Patriarchat, wurde aber dennoch aus dem
Kreis der etablierten Wissenschaft ausgeschlossen.
Erkenntnisphase 2:
Der Begründer der Ethnologie Lewis Henry Morgan, schrieb 1877 sein wichtigstes
Werk "Ancient Society". Er ging davon aus, dass die frühen Menschen nur
Gemeinschaftseigentum kannten und gleichberechtigt lebten. Erst 1885, nach
seinem Tod, ist der
Begriff "Matriarchat" erstmals in der Literatur
zu finden. Friedrich Engels sowie August Bebel und Klara Zetkin waren von
Morgan inspiriert. Die Zeit
des sog. Urkommunismus wurde nun positiv bewertet. Die
Forderung nach Gleichberechtigung der Frau im Sozialismus war darin begründet.
In den Ostblockstaaten wurde
die volle Berufstätigkeit der Frau aus dem Sachzwang heraus, die marode
Wirtschaft anzukurbeln, tatsächlich umgesetzt. Das Patriarchat wurde damit
aber nicht
abgeschafft.
Erkenntnisphase 3:
Die vermeintliche Überwindung des "schlechten" Matriarchats nach
Bachofen durch das "gute" Patriarchat ließ sich
in die Ideologie des patriarchalen Nazi-Regimes
einpassen. Mutterkreuz und Lebensborn waren Institutionen, die aus dieser
Quelle schöpften. Die unter dem männlichen Pseudonym "Sir Galahad" bekannte,
eher unpolitische
Bertha Eckstein-Diener schrieb mit ihrem noch heute oft zitierten Buch "Mütter
und Amazonen" 1932 die erste universale weibliche Kulturgeschichte, in der
sie die "seit Bachofen lawinenartig niedergegangenen Einzelstudien der
einzelnen Wissenschaftszweige" zusammenfasste. (Sir Galahad 1996: aus
dem Nachwort von Sibylle Mulot-Déri, S.387) Das Buch wurde im Nationalsozialismus
nicht verboten. Die Matriarchatsforschung Bachofens wird bis heute von rechtsextremen
Zirkeln aufgegriffen.
Erkenntnisphase 4:
Weder die Existenz eines Matriarchats als "Frauenherrschaft" noch
die als egalitäre Gesellschaftsform wollten in die patriarchale Nachkriegsideologie
passen. Frauen, die etwas zu sagen haben, waren ebenso unerwünscht, wie eine
egalitäre Gesellschaft. Damit durfte es weder ein "gutes" noch
ein
"schlechtes" Matriarchat gegeben haben, es hätte der Männerherrschaft
die natürliche Legitimation genommen. Von jetzt an war die Matriarchatsforschung
für etablierte
Wissenschaftler,
die "die etwas auf sich halten" Tabu. Die Tatsache der Rezeption
durch die links- und rechtsextremen Ideologien reichte als Begründung.
Aber die Wissenschaft erlebte mit den 1968ern eine Zeit des Aufbruchs und die
gestiegene Mobilität führte zu neuen Möglichkeiten. EthnologInnen machten Gesellschaften
bekannt, in denen Matrilokalität und Matrilinearität gelebt wurden und noch
heute werden. Die breite Öffentlichkeit erfuhr davon durch Reportagen in der
Presse. Der Archäologe James Mellaart entdeckte in den 1960er Jahren Çatal
Höyük und gab mit seiner Interpretation der Matriarchatsforschung unfreiwillig
neuen Auftrieb. Die Urgeschichtsforschung begann damit, die archäologischen
Spuren der Menschheit auf die Reste weiblichen Wirkens hin zu untersuchen.
Die US-Professorin Marija Gimbutas prägte den Begriff "Altes Europa", mit dem
sie die Jungsteinzeit vor der Invasion von Kurgan-Kriegern meinte, für die
sie aber ein Matriarchat ausschloss (siehe im ANHANG).
Dabei hat sie die enge Verbindung der Kultur Südost-Europas mit der Kleinasiens
herausgearbeitet. Die Privatgelehrte
Marie E.P. König (siehe im ANHANG)
unternahm Forschungsreisen zu den Kulthöhlen der Ile-de-France und wurde mit
der Neuinterpretation abstrakter Symbole als Darstellung einer
Vulva berühmt. Die Geisteswissenschaften entdecken den Mythos neu und deuteten
Märchen als Ausdruck des kollektiven unbewussten Matriarchats,
der Schule C.G. Jungs folgend. Der Jung-Schüler und Bachofen-Anhänger Erich
Neumann verfasste "Die Große Mutter - Der Archetyp des Großen Weiblichen" und
wurde von der Matriarchatsforschung in Wort und Bild vereinnahmt. Der Feminismus der 70er- und 80er Jahre
griff diese Ergebnisse auf und interpretierte sie als Ausdruck eines "guten" Matriarchats in
den frühen Kulturen. Der Begriff erlebte damit eine erneute Umdeutung. Eine
eindeutige Stellungnahme zu dem Verständnis des Begriffes wurde jedoch zunächst nicht
geliefert. Zu einer einheitlichen Lesart, die auch vor dem Elfenbeinturm Bestand
hatte, konnte es nicht kommen. Manchen Feministinnen gefällt die Vorstellung
einer Frauenherrschaft, andere lehnen Herrschaft als patriarchal ab. Der Ökofeminismus
wollte im Matriarchat eine friedliche, aber von Frauen beherrschte Zeit sehen.
Die amerikanische Psychologin und Anthropologin Jean Liedloff (1926-2011)
lebte in Venezuela mit den Yequana-Indianern und entdeckte dabei das Prinzip des Kontinuums,
das sie in ihrem Buch "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück" (Am. Orig. Ausgabe von 1977: "The Continuum Concept") definierte
als "die Erfahrungsfolge, welche vereinbar ist mit den Erwartungen und Bestrebungen unserer
Gattung in einer Umgebung, die mit derjenigen, in der jene Erwartungen und Bestrebungen sich ausprägten, übereinstimmt." (Liedloff 1991, S. 38)
Dies schließe angemessenes Verhalten anderer und entsprechende Behandlung durch sie als Teil jener Umgebung ein. Liedloff
konnte damit die Bedeutung der Mutter für ihr Kind wiederbeleben, die mit dem Feminismus nach Simone de Beauvoir zunehmend in Verruf gekommen war. Da der Yequana-Stamm jedoch
bereits patriarchalisch lebte, und auch sie selbst keine Mutter war, erkannte sie nicht, welches Kontinuum eine Mutter erwarten darf.
Im Kontext der patriarchalen Kleinfamilie und einer entsprechenden
Rezeption, missverstanden als beliebig
einflechtbares willkürliches "Konzept" der Babyfürsorge, sind ihre Entdeckungen
auf die Wiederbesinnung auf das Stillen sowie den Gebrauch von Baby-Tragetuch und Elternbett eingedampft worden, und können besonders in der modernen Kita-Erziehung keinen
echten Niederschlag finden.
Die deutsche Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth erklärte in ihrem
Buch "Die Göttin und ihr Heros" den Ritus der Heiligen Hochzeit fälschlich als Ausdruck
von Frauenmacht und kommt damit der Theorie Bachofens sehr nahe. Die Zusammenhänge
von Herrschaft und Krieg wurden in der Friedensbewegung jedoch heiß diskutiert
und eine neue Sicht auf eine egalitäre Zeit vor dem Patriarchat begann sich
durchzusetzen. Heide Göttner-Abendroth übersetzt nun das Wort Matriarchat mit "am
Anfang die Mütter" (arché = Ursprung). Eine solche willkürliche und spitzfindige
Sinngebung des Begriffs Matriarchat ist nicht nur etymologisch
abzulehnen, sondern hat zur allgemeinen Verwirrung erst beigetragen, denn im internationalen
wissenschaftlichen Gebrauch ist matri-archy, wie mon-archy eindeutig
auf Herrschaft und nicht auf Ursprung bezogen und matri-archy wird immer als
Polaritätsbegriff zu patri-archy verwendet. Mit ihrer sog. Modernen Matriachatsforschung,
die die Erforschung von Matrifokalität als Matrilinearität und Matrilokalität
marginalisiert, und die Betonung auf die Göttlichkeit der Frau legt, kommt
es zu einem vorläufigen, fatalen Stillstand in Deutschland. Die Frage der Macht
beschäftigt die Forscherinnen in erster Linie. Die Schweizer Psychologin und
Philosophin Carola Meier-Seethaler veröffentlicht ihr Buch "Ursprünge und Befreiungen. Eine dissidente
Kulturtheorie", das im Wesentlichen dem Erkenntnisstand folgt. Mit ihrem Bildband
"Von der göttlichen Löwin zum Wahrzeichen männlicher Macht. Ursprung und
Wandel grosser Symbole" beginnt sie von der Machtthese abzurücken, und
erklärt, wie die matrizentrische, naturreligiöse Symbolik im Patriarchat in
den Dienst
weltlicher Herrschaft gestellt wurde.
Erkenntnisphase 5:
Uwe Wesels "Der Mythos vom Matriarchat - Über Bachofens Mutterrecht und
die Stellung der Frauen in frühen Gesellschaften vor der Entwicklung staatlicher
Herrschaft" wird zum meistzitierten Buch der Matriarchatskritik.
Wesel stellt zutreffend dar, dass in der historischen Realität Matriarchate
nicht existiert
haben, sondern dass es sich um Mythen handelt (z.B. Amazonen). Aber er folgt
unkritisch der herrschenden Lehre, die matrifokale Sozialverbände, wenn überhaupt
als solche wahrgenommen, als Ausnahmeerscheinung des Neolithikums abhandeln
und erledigen möchte. Das Patriarchat, die Kleinfamilie, hat die natürliche
Lebensform der Menschheit zu sein. UrgeschichtsforscherInnen, die der Matriarchatsforschung
Material liefern, werden als Matriarchatsforscherinnen bezeichnet und gemobbt.
Die Urgeschichtsforscherin und Archäologin Marija Gimbutas lehnte wie Marie
E.P. König diese Bezeichnung für sich ab. Sie verwendete den Begriff Matriarchat
ganz bewusst nicht, um nicht die Assoziationen, die mit dem Begriff Patriarchat
verbunden sind, heraufzubeschwören. Sie bevorzugte den Begriff matristische
Gesellschaft, die für die matrilokale und matrilineare Lebensweise
der Urgesellschaft, wie sie sie erkannt hat, steht. Es gibt nur wenige Beispiele
einer wohlwollenden,
aber sachlichen Auseinandersetzung mit dem Begriff "Matriarchat".
Die österreichisch-amerikanische Historikerin und Begründerin der Patriarchatsforschung Gerda
Lerner ließ den Kern der Matriarchatsforschung stehen, nämlich,
dass das Patriarchat nicht die natürliche Lebensweise der Menschheit
ist. Für sie ist und bleibt das Wort Matriarchat aber unwissenschaftlich. Weitgehend
von ideologischem Ballast befreit hat sie neu angefangen und, beruhend auf
archäologischen und religionswissenschaftlichen Fakten, eine Kulturgeschichte
der Unterdrückung der Frau verfasst. Leider hat Gerda Lerners
Werk auf die deutsche Matriarchatsforschung keinen nennenswerten Einfluss.
Auch die Amerikanerin Riane
Eisler verarbeitete in "Kelch und Schwert" den
Stand der Erkenntnisse zur Matrifokalität, für die sie den Begriff Gylanie vorschlägt.
Im Zentrum ihrer sog. kulturellen Transformations-These steht der Wandlungsprozess
von der matrifokal-egalitären und friedlichen Lebensgemeinschaft vor der Invasion
der Kurgan-Völker, hin zu der dominatorischen, männlich ausgerichteten und kriegerischen Gesellschaft
seit den Kurgan-Invasionen. Sehr anschaulich schildert sie, wie nicht nur vor
6500 Jahren mit Gewalt und politischer Theologie die Frau entrechtet wurde, sondern bis heute
diese Mittel der Aufrechterhaltung der Gesellschaftsform dienen. Besonders
gilt ihre Kritik den Kulturwissenschaften, deren Forschungsergebnisse an die Erwartungen der dominatorischen Gesellschaft
angepasst sind. Riane Eisler zeigt auf, wie die Erkenntnisse für künftige Generationen
nutzbar gemacht werden können. Das Werk gilt als Meilenstein
der Zukunftsforschung und findet bis heute internationale Beachtung und
Anerkennung, dies besonders bei bekannten, ehemaligen Vertretern von
Wirtschaft und Politik. In diese Kreise sickern zunehmend die Thesen zur Matrifokalität.
Der Belgier Bernard
Lietaer zeigt mit dem Buch "Mysterium Geld" auf, wie eng die Haltung zum Archetyp der Großen Mutter (nach C.G. Jung) mit dem
allgemeinen Wohlstand zusammenhängt. Er beschreibt und erklärt das Zinswesen
als männliches Prinzip, das volkswirtschaftliche Probleme schafft bzw. verschärft. Das moralisch
anspruchsvolle Argument, dass das weibliche Prinzip in der Gesellschaft einen
Ausgleich zwischen Arm und Reich herstellen kann, ist für Missbrauch anfällig, wie die weitere Entwicklung
(Phase 6) zeigen wird. Denn die Ausklammerung des Menschen
als Kind bzw. der entwicklungspsychologischen Aspekte aus dem Modell der Großen
Mutter kann zu einer neuen Schieflage in der Gesellschaft führen, diesmal zu
Lasten der wehrlosen Kinder.
Im Internet entstehen zahlreiche Webseiten zur Matriarchatsforschung.
Die Deutschamerikanerin Hannelore Vonier entwickelte die
Portale wie matriarchat.net und matriarchat.info, die sie dann durch rette-sich-wer-kann.com
ablöste.
Erkenntnisphase 6:
Der Vormarsch feministischer Wissenschaft war nicht mehr aufzuhalten. Auch
ForscherInnen der traditionellen Wissenschaft kommen nicht mehr um
archäologische Funde, deren Beweislast geradezu erdrückend ist, herum. So
ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Frauen an Forschungsprojekten
beteiligt werden, wie es insbesondere bei den Ausgrabungen in Çatal
Höyük der Fall ist. Der ehemalige Grabungsleiter Ian Hodder bestätigt weitgehend James Mellaarts
archäologische Befunde. Er räumt in seinem Aufsatz zur "reflexiven Ausgrabungsmethodologie"
ein, dass die Kritik der Frauenbewegung an der Zur-Verfügung-Stellung von
Ausgrabungsbefunden im Internet ernst zu nehmen ist. Danach sind Daten, die
weiter gegeben werden, bereits durch die Auswahl interpretiert. Trotzdem sieht er "Objektivität,
Distanz und Neutralität, die die archäologische Methode für sich geschaffen
zu haben glaubt", offenbar angegriffen. Er sieht eine Lösung für das Problem darin,
mehr zu tun als Beschreibung und Interpretation zu trennen zu versuchen.
Das sei sowieso nicht möglich, da Beschreibungen nie völlig objektiv sein
können.
Dazu sieht er Herausforderungen einerseits darin, die "zentrale Rolle der
Interpretation im eigentlichen Prozess der Konstruktion von Daten zu akzeptieren",
andererseits,
"Interpretation im primären Stadium einzuführen an der Spitze der Grabungskelle".
Hodder stellt die Ausgrabungsbefunde der breiten Öffentlichkeit im Internet
zur Verfügung, damit ist die demokratische Kulturwissenschaft erfunden. (aus:
CD-ROM Çatal Höyük)
Die feministische Archäologie konnte also mit der Forderung
nach mehr Objektivität erstmals überzeugen und fanden so Eintritt
in den Elfenbeinturm. Auch die allgemeine Frauenforschung als neues Gebiet
erhielt zunehmend mehr Gelder. Lesbische Forscherinnen entdecken
die Frauenforschung für sich und nutzten sie zur Förderung der Integration:
die Gender Studies waren erfunden, die die "Austauschbarkeit der Geschlechterrollen"
propagieren. Das viele Geld in Frauenhänden hatte zunächst Begehrlichkeiten
bei männlichen Forschern geweckt, die nun aber,
da das Fachgebiet umgetauft war, mitforschen resp. Gelder beantragen konnten.
Die männliche Konkurrenz stellte ein erneutes Problem dar. Forscherinnen
hatten wieder nur dann eine Chance, wenn sie die Grundfesten des Patriarchats
nicht erschütterten. Die Gender Studies standen dazu aber nicht mehr im Widerspruch,
denn die Grenzen der Geschlechter waren ja nun aufgehoben: in der Praxis
bedeutet das, dass Frauen an männliche Maßstäbe angepasst werden. Frauenforschung
ohne die ideologische Brille der Gender Studies war nun nicht mehr möglich.
Die Gender Studies leugnen die vorpatriarchale Urmutter/Muttergöttin als
"Überhöhung bestimmter Konzepte" und propagieren die Ehe schon
für die Altsteinzeit. Den starken gesellschaftlichen
Einfluss der Gender Studies und das wirtschaftliche Interesse an ihnen offenbart
der Girlsday, der zur festen Einrichtung im Jahreszyklus wurde, sowie die
Forderung nach Verhortung aller Kinder.
Eine neue Generation von Forscherinnen konnte sich jetzt mit Matriarchatskritik einen
Namen machen.
Bücher wie "Die Göttinnendämmerung" oder "Die Wolfsfrau im Schafspelz" griffen
die Widersprüchlichkeiten der Matriarchatsforschung auf, vermischten die
Phasen der Geschichte der Erforschung
der Matrifokalität und spielten die vielfach unausgegorenen Argumente gegeneinander
aus. Als links- oder rechtsradikal verunglimpft war der Matriarchatsforschung
der Garaus gemacht. Auch diese Beweisführung war nicht schlüssig, manche
Indizien waren sogar erfunden, aber die Bücher machten mit dieser Polemik
hohe Umsätze.
Das zeigte Wirkung: Kaum ein wissenschaftliches Buch auch weiblicher AutorInnen
erscheint heute ohne den bekennenden Satz "Theorien, die diese Befunde
als Ausdruck eines Matriarchats deuten, konnten sich nicht bestätigen." Eine
Auseinandersetzung mit dem Begriff findet dabei nicht statt. Der Satz liest
sich also wie ein Bekenntnis zum Patriarchat.
Erkenntnisphase 7:
Die Soziobiologen Eckhard Voland und Jan Beise veröffentlichen im Jahre 1990
die Ergebnisse ihrer Rekonstruktion und Untersuchung von Familiengeschichten
aus Krummhörn/Ostfriesland, nach der die Überlebensrate von Kindern deutlich
anstieg, wenn die Großmutter mütterlicherseits bei der Betreuung der Kinder
mithalf. Umgekehrt sank die Überlebensrate deutlich, wenn die Mutter des Vaters an der
Betreuung beteiligt war. Beide Werte wurden gemessen am Wert der Familien, in
denen die Mutter auf keine Großmutter zählen konnte.
Die amerikanische Anthropologin und Primatenforscherin
Meredith F. Small veröffentlichte 1995 ihr Buch "Female Choices",
in dem sie die Reproduktion des Lebens als Basis der Evolution beschreibt
und die Sexuelle Selektion durch die Frau hervorhebt. Sie zeigt an verschiedenen Affenarten
auf, wie Frauen ihre female
choice als freie Partnerwahl durchsetzen. Dabei sei ihrer Meinung nach das Verhalten
der Frauen nicht so weit vom Verhalten der Männchen entfernt wie bislang
angenommen.
Die amerikanische Anthropologin Kristen Hawkes stellte 1998 die sog.
Großmutter-Hypothese vor, mit der sie erklärt, warum Frauen nach der Menopause
noch eine längere Lebenserwartung haben, ja viele Frauen sogar mehr Jahre
ohne als mit Menstruation leben. Sie zeigt, dass ohne die Mitarbeit der
Großmutter mütterlicherseits (nach Voland/Beise), die Probleme, die aus der
langen Kleinkindphase des Menschen erwachsen, nicht zu bewältigen sind.
Ihre These fand international Anerkennung.
Gleichzeitig, ohne dass dies von den WissenschaftlerInnen ausgesprochen
wurde, sind diese drei Erkenntnisse der Beweis für Matrifokalität in der
Altsteinzeit. Dieser Schluss wurde auch nicht von Seiten der Herrschenden Lehre gezogen.
In der Karlsruher Ausstellung "Die ältesten Monumente der Menschheit" (2007)
wurde der Öffentlichkeit erstmals ein kleines "Bärensiegel" aus
Çatal Höyük vorgestellt. Eine Mitarbeiterin Ian Hodders, Marion Cutting schreibt im Katalog,
dass das Bärensiegel Anlass zu der Vermutung gäbe, dass viele Wanddarstellungen
keine Göttinnen sondern Tiere seien, und somit "viele Theorien über die Muttergöttin" in
Frage gestellt seien (siehe auch das Special auf dieser Homepage). Dieser
Satz soll der Theorie zur Großen Göttin der Urgeschichtsforscherin Marija
Gimbutas den Garaus machen (siehe im ANHANG),
und ist zugleich der Höhepunkt der Kritik an der Matriarchatsforschung, aber vermutlich auch ein Zugeständnis an die
türkische Regierung. Auf einer Tafel (siehe unten) der Ausstellung wird versucht zu beweisen, dass James
Mellaarts These einer matrilinearen, egalitären Gesellschaft nicht tragfähig
sei. Die geschickte Beweisführung dieses Textes vermengt alle Thesen der Geschichte
der Erforschung der Matrifokalität und hinterlässt bei vielen BesucherInnen
der Ausstellung Ärger aber auch totale Verwirrung. In den Vordergrund
treten aber die Thesen der Gender Studies, die Annahme der Gleichstellung
und Austauschbarkeit der Geschlechterrollen wird für Çatal Höyük postuliert.
In Deutschland und Großbritannien glaubt sich die herrschende Lehre im
Aufwind durch das Postulat des Patriarchats in der Bandkeramischen Kultur,
der ersten Ackerbauern in Mitteleuropa. Die beteiligten Wissenschaftler geben vor,
an den Skelettresten des sog. "Massaker von Talheim" (ca. 5000
v.u.Z.) Patrilokalität mit naturwissenschaftlichen Methoden beweisen
zu können und damit endgültig
die These vom "Matriarchat" widerlegt zu haben.
Hannelore Vonier sieht in den monotheistischen Göttern nicht mehr die
variierte Fortsetzung der Muttergöttin. Für eine nicht-patriarchale Göttin
sieht sie keine Belege. "Matriarchale Stammesgesellschaften", wie
sie sie nennt, hätten keine Götter in unserem Sinne gehabt, auch keine
Wörter dafür in ihren Sprachen,
sondern Ahnen- und Nicht-Ahnen-Geister.
Aufbauend auf Meredtih F. Smalls Entdeckungen zur female choice
(siehe meine ausführlichen Erläuterungen dazu) und
der Großmutter-These nach Hawkes und Beise/Voland führt die amerikanische Anthropologin Sarah
Blaffer Hrdy (https://www.citrona.com/hrdy/)
in ihrem Buch "Mother and Others" (2009, deutsche Ausgabe: "Mütter und Andere" Berlin 2010) die Gehirnentwicklung des Menschen
auf die Mutter-Kind-Sippe-Bindung zurück und äußert ihre durch jahrzehntelange
Forschung gereifte Überzeugung, dass die matrifokale Lebensweise die für den
Menschen natürliche sei. Sie stellt zudem die bedingungslose Existenz
eines Mutterinstinkts infrage und führt den Pflegeinstinkt auf die hormonellen
Umstellungen durch das Stillen zurück. Sie erklärt, unter welchen Bedingungen das Stillen
eine Schwangerschaft verhindert. Daraus versteht sich die Bedeutung des Ammenwesens
für das Patriarchat, in dem eine möglichst große Nachkommenschaft den Reichtum
und das Prestige des Mannes erhöht, die Frau aber auf ihre Gebärfähigkeit reduziert
wird.
Der deutsche Jurist, Journalist und Patriarchatsforscher
Gerhard Bott (http://www.gerhardbott.de/)
legte 2009 mit dem Buch "Die
Erfindung der Götter - Essays zur politischen Theologie" eine umfassende Patriarchatskritik vor,
in der er nicht nur die Entstehung
des Patriarchats bzw. die Institutionalisierung des Vaters erklärt.
Er entlarvt die Methodik der Erhaltung desselben durch die patriarchale
Wissenschaft und geht hier noch mehr ins Detail als Riane Eisler. Er klärt
erstmals die Begriffe Matrilokalität und Matrilinearität im Gegensatz zu Patrilokalität
und Patrilinearität allgemein- und unmissverständlich
und reinigt die Begriffe von ideologischen Kontaminationen. Er zeigt auf,
dass die frühe Menschheit matrifokal lebte und erklärt dies aus den biologischen
Voraussetzungen wie der female choice (Meredith
F. Small) und der Unkenntnis oder Nicht-Anerkennung der Vaterschaft.
Durch die Verknüpfung von Patriarchatsforschung und Patriarchatskritik
gelingt ihm die Beweisführung, dass die Herrschaft des Mannes über "seine" Frau
sich erst auf der ökonomischen Grundlage der Domestikation und Zucht der
großen Huftiere (Boviden) entwickelte. Darauf aufbauend erklärt er die
Anpassung der Religion an die neuen gesellschaftlichen Bedingungen. Die Heilige Hochzeit
erklärt er als Ausdruck der Heiligung der Sexualität, die im Interesse
des Mannes lag, und die Grundlage war für die theologische Herabsetzung
der altsteinzeitlichen Großen Göttin in der Jungsteinzeit. Der Ritus der Heiligen Hochzeit war
demnach die feierliche Übergabe der kultischen Macht der Frau an die weltliche
Macht des Mannes und besiegelte das Patriarchat. Diese Erkenntnis entzieht der
Matriarchatsforschung nach Göttner-Abendroth (Phase 4) die Grundlage, liefert
dafür aber den Beweis, dass das Patriarchat für mehr als 160.000 Jahre nicht die natürliche Lebensform
der Menschheit war, sondern eine kulturelle Errungenschaft, deren Durchsetzung
und Entwicklungsphasen der Autor beschreibt.
Mit einem zweiten Band ("Die
Erfindung der Götter - Essays zur politischen Theologie" Bd. 2, 2014)
vertieft er einige Aspekte des ersten Bandes, führt aber auch einen
weiteren fatalen Widerspruch ein. Er schreibt, dass die Wildbeutergruppen
der Altsteinzeit auch fremde Männer dauerhaft aufgenommen hätten, um die
Exogamie leben zu können. Den Konflikt, wie diese fremden Männer - die damit
in Kenntnis der Vaterschaft gelangt sein müssten - mit der diesem Szenario
widerstrebenden female choice umgegangen sind, kann er nicht
auflösen. Stattdessen konstatiert er, dass diese Männer den Frauen zwar
Sexualpartner gewesen wären, aber stets Fremde geblieben seien. Siehe dazu
meine
kritische Betrachtung.
Die schweizer Philosophin, Psychologin und Patriarchatsforscherin Carola Meier-Seethaler (https://www.meier-seethaler.ch) veröffentlichte 2011 die vollständig überarbeitete Neuauflage ihres Buches "Ursprünge und Befreiungen. Eine dissidente Kulturtheorie". Auch beeinflusst durch Bott hat sie sich vom Matriarchatsbegriff und der Matriarchatsforschung vollständig gelöst und revidiert die Machtthese von Grund auf. In ihrem Buch verbindet sie die Patriarchatsforschung mit einer umfassenden Patriarchatskritik aus psychologischer, soziologischer und wirtschaftlicher Sicht und gibt der Friedensforschung, die derzeit wegen ihrer Detailverlorenheit einen Stillstand erlebt, neues Material an die Hand.
Im Jahre 2011 bestätigte eine odontologische Untersuchung das Fehlen einer
patrilinearen Sozialstruktur bzw. patriarchaler Kleinfamilien in Çatal Höyük.
Die Untersuchung von Zähnen aus hauseigenen Gräbern ergab, dass keine enge familiäre Verwandtschaft unter
den Bewohnern eines Hauses bestanden hatte. Grabungsleiter Ian Hodder stellte fest, dass das Sozialgefüge dem der Altsteinzeit ähnelte.
Die Matrifokalität in Çatal Höyük wird mit dieser Untersuchung noch deutlicher.
Der Archäologe Christian Jeunesse erklärt, warum die jungsteinzeitliche Michelsberger Kultur als akephal angesehen werden muss. Dies zeigt, dass die Patriarchalisierung nach Ende der Bandkeramik vorerst aufgehalten wurde.
Der Prähistoriker Detlef Gronenborn entdeckt die Zusammenhänge zwischen dem Klima und dem Untergang der jungsteinzeitlichen Kulturen.
In meinem Buch "Archäologie
und Macht" (2012) hole ich die female
choice nochmals aufs Tapet und erläutere, warum sie nicht nur für alle Tierarten, sondern auch für uns Menschen gilt, und als oberstes Naturgesetz der Evolution
angesehen werden muss. Es wird dabei u.a. deutlich, dass
sie die folgenreiche Überbevölkerung verhindert. Ich korrigiere auf der Basis der Forschungen
des Anthropologen und Primatenforschers Volker Sommer Botts unhaltbare Gorilla-These,
wie er sie in seinem ersten Band vorgestellt und im zweiten
Band als "Zwangs-Monogamie" und "Monopolstellung" des
Silberrückenmännchens, eine vorsichtige Umschreibung von Patriarchat,
vertieft hat. Darauf aufbauend erkläre ich noch einmal ausführlich, warum
die Aushebelung der female choice das einzig sichere Erkennungszeichen für Patriarchat als ein rein menschlich-männlicher Akt
ist, Aspekte, die bei Bott entsprechend zu kurz kommen mussten.
Anders als Bott interpretiere ich die Heilige Hochzeit daher als rituelle Vergewaltigung und nicht als freiwilligen Verkehr einer professionell arbeitenden Priesterin
mit dem König. Darauf aufbauend gehe ich zu den archäologischen Erkenntnissen
über: Die Auswirkungen der Unterdrückung der female choice wie
Krieg und Umweltzerstörung sind in der Ur- und Frühgeschichte ab ca. 5000 v.u.Z. archäologisch
nachweisbar. Eine genaue Datierung des Beginns des Patriarchats ist jedoch noch nicht möglich, die
örtlichen und zeitlichen Übergänge sind fließend und es ist zwischen einem Patriarchat in Hausherrschaft und einen Patriarchat
in Staatsherrschaft zu unterscheiden. Dazu weise ich nach, dass die naturwissenschaftlichen Daten, die am Massaker von Talheim
erhoben wurden, nicht zum Beweis von Patrilokalität ausreichen, ja sogar starke Indizien für Matrilokalität liefern. Damit liefere ich einen
weiteren Nachweis, dass die herrschende, englisch/deutsche Archäologie und
Anthropologie patriarchatsideologisch motiviert ist.
Im Buch "Der Jacobsweg - Kriegspfad eines Maurentöters oder Muschelweg
durch Mutterland? Die Wiederentdeckung der Wurzeln Europas" (2014) wendet
die Patriarchatskritikforscherin, wie sie sich nennt, Kirsten Armbruster die
Erkenntnisse um die Matrifokalität auf diesen sehr alten Pilgerweg an. Sie weist
nach, dass seine Symbolik Züge der matrifokalen Spiritualität trägt. Ob
eine neue Religion "Gott die Mutter", wie sie sie propagiert, die
altsteinzeitliche Spiritualität wiederbelebt oder letztlich nur die Umdrehung
der Vaterreligion ist, und ein Matriarchat beschwört, wird die Zukunft zeigen.
Ihre These vom "matrifokalen Vater" bedarf jedenfalls einer
kritischen Betrachtung.
Die Arbeitsgruppe Paläogenetik der Universität Mainz unter der Federführung
des Anthropologen Kurt Alt findet im Jahre 2014 bei der jungsteinzeitlichen, osteuropäischen Starčevo-Kultur,
die als Vorläufer der Bandkeramik gilt, eindeutige Beweise, dass sie sich "als eine Bewegung von Tanten,
Onkeln und Schwestern ausbreiteten". 2015 wird an den Skelettresten aus der jungsteinzeitlichen Siedlung von Kfar HaHoresh
(Israel) Matrilokalität nachgewiesen. Damit ist für beide Kulturen Matrifokalität
vorauszusetzen.
Mit meinem Buch "Der
Gott im 9. Monat" (2015)
beleuchte ich zunächst die Frage, warum alle männlichen Hochgötter Wettergötter
sind. Ich zeige an vielen Beispielen, wie die ursprünglich als parthenogenetische
Mutter angesehenen Berge und Gewässer mythisch vermännlicht wurden und die
so entstandenen
Berg-, Fluss- und Meeresgötter von Wettergöttern unterworfen wurden. Ziel dieser
Unterwerfung war die Aneignung der Unsterblichkeit der Großen Mutter, also ihrer Allmacht, die in
Gebären und Ernähren, sowie Tod, Regeneration und Wiedergeburt besteht.
Dazu müssen Wettergötter nicht nur gebären können, wie z.B. bei Zeus mit
der Kopfgeburt Athenes oder beim alttestamentarischen Gott, der den Adam aus Lehm knetet.
Der Göttervater muss auch stillen, also ernähren können. Die Macht über das
Wetter, den Regen, kompensiert seine mangelnde Stillfähigkeit. Er
entscheidet als furchterregender Verursacher von Dürren oder Sintfluten
über Leben und Tod der Natur und des Menschen.
Gebärneid und Stillneid sind daher die Triebfedern der Herrschenden, die bis heute
nicht nur an der Eliminierung der Großen Mutter, sondern auch der Mütter
im wahren Leben arbeiten, dem Endziel des Patriarchats.
Eine Ausstellung 2016/17 im Archäologischen Museum Hamburg-Harburg zeigt zahlreiche Urmutterstatuetten aus der Eiszeit und erklärt ihnen jeglichen Sakral-Charakter ab.
Die Patriarchatsforscherin Stephanie Gogolin entdeckt das Kollektive Stockholm-Syndrom aller patriarchal lebenden Menschen und prägt den Begriff des Matrifokal als Bezeichung für "das naturgemäße Bindungssystem der Mensch (der menschlichen Mutter) in einem real vorhandenen, dynamischen Habitat, welches von Beginn des Menschseins als existenzsichernde Schutzsphäre für Mütter und ihren Nachwuchs fungierte." In ihrem Blog analysiert sie, wie die ein Matrifokal erwartenden neugeborenen Menschen in das verbrecherische Zwangssystem Patriarchat sozialisiert werden und damit vom Stockholm-Syndrom befallen zu Opfern und Tätern zugleich werden (Stockholm-Syndrom Teil I, Stockholm-Syndrom Teil II, Stockholm-Syndrom Teil III).
Anhaltende Differenzen zwischen Matriarchatsforscherinnen und Patriarchatsforscherinnen um den Begriff "Matriarchat" machen eine Stellungnahme seitens der Patriarchatsforschung notwendig.
Ein bioarchäologisches Team versucht 2019, für Çatal Höyük Patriarchat (Patrilokalität und Gewalt) zu beweisen, scheitert jedoch an Unwissenschaftlichkeit.
Der Klimawandel und Fragen der Migration dringen weiter in die Archäologie vor. Teams der Genetik aus der ganzen Welt bestätigen die Kurgan-These nach Marija Gimbutas und finden eine große Zahl von Hinweisen auf weltweite Genozide sowie die Tötung der Männer matrifokaler Gemeinschaften am Ende der Jungsteinzeit. (Mein zusammenfassender Vortrag)
Mit einer neuen Studie der Max-Plack-Gesellschaft können wir für die Matrifokalität ein Alter von über 3 Millionen Jahren feststellen.
4.3. Methodik der Herrschenden Lehre am Beispiel eines Textes auf einer Tafel der großen Landesausstellung 2007 in Karlsruhe, "Die ältesten Monumente der Menschheit"
FIGURINEN, DIE GROSSE GÖTTIN UND DAS MATRIARCHAT
1 Çatal Höyük erregte nicht
zuletzt durch die dort gefundenen menschlichen Figurinen großes Aufsehen. 2
Aufmerksamkeit zog vor allem eine üppige weibliche
Gestalt auf einer von zwei Leoparden flankierten Sitzgelegenheit auf sich.
3 James Mellaart bezeichnete die fülligen weiblichen
Darstellungen als "Muttergottheiten". 4 Seine Interpretation nährte insbesondere außerhalb der archäologischen Forschung
die Vorstellung, die Bewohner von Çatal Höyük hätten in einer egalitär und
matrilinear organisierten Gesellschaft gelebt. 5 Als Beleg für diese Deutung
zog man insbesondere die weiblichen Figurinen heran. 6 Häufig
wurde suggeriert, es handele sich ausschließlich um Darstellungen von Frauen
bzw. "Göttinnen". 7 Das ist nicht der Fall. 8 Ein Teil der Figurinen stellt Männer dar, andere
zeigen gar keine geschlechtsspezifischen Merkmale. 9 Weitere Indizien für eine
mutterrechtlich organisierte Gemeinschaft in Çatal Höyük fehlen. 10 Stattdessen
mehren sich Hinweise auf eine Gleichstellung und Austauschbarkeit der Geschlechterrollen.
11 Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Arbeitsteilung oder Ernährung lassen
sich ebenfalls nicht feststellen. 12 Die Geschlechtszugehörigkeit
bestimmte nicht über die Rolle des Individuums in der Gesellschaft.
Im Folgenden sei dieser Text auf seine Fehler hin untersucht und korrigiert und damit seine Rhetorik dargestellt.
Satz 1: Çatal Höyük erregte nicht zuletzt durch die dort gefundenen menschlichen Figurinen großes Aufsehen.
Kommentar 1: Çatal Höyük erregte wegen seiner zahlreichen weiblichen Figurinen und seines hohen kulturellen Standards Aufmerksamkeit.
Satz 2: Aufmerksamkeit zog vor allem eine üppige weibliche Gestalt auf einer von zwei Leoparden flankierten Sitzgelegenheit auf sich.
Kommentar 2: Die Bedeutung der Figurine ist im Zusammenhang mit den anderen Figurinen, Wandgemälden und Stierbukranien zu sehen. Sie wird als "Göttin auf dem Leopardenthron" bezeichnet, die in dieser Anmutung, allerdings bekleidet, auch in späteren Kulturen als Kriegs- und Muttergöttin (z.B. Ishtar, Astarte) erscheint. Für kriegerische Auseinandersetzungen fehlen in Çatal Höyük jedoch die Belege.
Satz 3: James Mellaart bezeichnete die fülligen weiblichen Darstellungen als "Muttergottheiten".
Kommentar 3: Dies war nicht seine Idee, sondern er stützte sich auf die Vergleiche mit zahllosen Funden des Nahen Ostens und Ägyptens, die insbesondere mit der Erfindung der Schrift auch als solche eindeutig identifizierbar sind.
Satz 4: Seine Interpretation nährte insbesondere außerhalb der archäologischen Forschung die Vorstellung, die Bewohner von Çatal Höyük hätten in einer egalitär und matrilinear organisierten Gesellschaft gelebt.
Kommentar 4: Die Archäologie ist für die gesamte Kulturwissenschaft eine Hilfswissenschaft. Es handelt sich nicht um Vorstellungen, sondern um Thesen. Wie wir im letzten Satz erfahren werden, wird die egalitäre Lebensweise von Hodders Team bestätigt. Matrilinearität ist keine Organisationsform, sondern eine Verwandtschaftsbeziehung. Eine Gesellschaft setzt im soziologischen Sinne eine Herrschaftsstruktur voraus, die aber für Çatal Höyük nicht nachgewiesen werden konnte. Es muss also von Gemeinschaft gesprochen werden.
Satz 5: Als Beleg für diese Deutung zog man insbesondere die weiblichen Figurinen heran.
Kommentar 5: Darüber wer mit "man" gemeint ist,
schweigen sich die Verfasser aus.
Dies ist zudem eine verzerrte Darstellung. Mellaart berief sich auch auf die
Bestattungen. So fand er unter der Hauptplattform der Häuser jeweils weibliche
Skelette. Dies konnte Hodder in den von seinem Team ausgegrabenen Planquadraten
nicht bestätigen. Aber auch das ist kein Gegenbeweis, denn in matrilinearen
Gemeinschaften betreiben die Männer Exogamie durch Matrilokalität, d.h. sie
begeben sich vollständig in die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ihrer Sexualpartnerin
oder sie suchen diese temporär in deren Sozialverband auf. Die letzte Variante
wird praktiziert von den Mosuo, die die Matrilokalität auf eine sogen. "Besuchs-Ehe" beschränken,
obwohl es sich bei dieser Praxis im soziologischen Sinne nicht um eine "Ehe" handelt.
Auch bleiben die Brüder in der Lebens-und Wirtschaftsgemeinschaft ihrer Mutter
und Geschwister, und ersetzen als
sozialer Vater den biologischen Vater der Kinder der Schwestern.
Satz 6: Häufig wurde suggeriert, es handele sich ausschließlich um Darstellungen von Frauen bzw. "Göttinnen".
Kommentar 6: Dies ist ein persönlicher Eindruck der VerfasserInnen.
Satz 7: Das ist nicht der Fall.
Kommentar 7: Suggestiver Kurzsatz. Siehe Satz 6 und Kommentar zur Überschrift am Ende.
Satz 8: Ein Teil der Figurinen stellt Männer dar, andere zeigen gar keine geschlechtsspezifischen Merkmale.
Kommentar 8: Richtig, aber die Männer sind in den Plastiken extrem unterrepräsentiert. Sie finden sich vor allem auf den Wandmalereien, dort als bärtige Jäger. Mellaart grub nachweislich 41 anthropomorphe Skulpturen aus, von denen 33 (d.h.80%) eindeutig weiblich waren.
Satz 9: Weitere Indizien für eine mutterrechtlich organisierte Gemeinschaft in Çatal Höyük fehlen.
Kommentar 9: Die Bezeichnung "mutterrechtlich" ist hier fehl am Platze. Mutterrecht setzt eine Gesellschaftsordnung voraus, die gesetzgebend wirkt. Dafür finden sich keine Belege. Jetzt wird auch das Wort "Gemeinschaft" verwendet, das soziologisch aber von Gesellschaft zu trennen ist. Gemeinschaft und herrschaftliche oder hierarchische Organisation schliessen sich soziologisch aus. Daher können "weitere Indizien" auch nicht gefunden werden.
Satz 10: Stattdessen mehren sich Hinweise auf eine Gleichstellung und Austauschbarkeit der Geschlechterrollen.
Kommentar 10: Ein Unterschied zwischen "Egalität" und "Gleichstellung der Geschlechterrollen" wird nicht dargestellt. Die Gender Studies vereinnahmen Çatal Höyük, um ihre Versuche, die Geschlechtergrenzen der Gegenwart aufzulösen, zu untermauern. Für die "Austauschbarkeit von Geschlechterrollen" bleiben aber die VerfasserInnen Beweise schuldig.
Satz 11: Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Arbeitsteilung oder Ernährung lassen sich ebenfalls nicht feststellen.
Kommentar 11: Diese Behauptung ist unzutreffend. In den Wandbildern sind nur Männer als jagend dargestellt. Der Tötungsvorgang ist offenbar Männersache, denn die dort auch abgebildeten Frauen tragen keine Jagdwaffen, sondern tanzen oder übernehmen eine andere Verantwortung im Rahmen der Jagd, die nicht genau erkennbar ist. Mit "Ernährung" ist die Diskussion über Dominanz tierischer oder pflanzlicher Nahrung gemeint. Oft wird als Beleg für die vermeintliche Dominanz der altsteinzeitlichen Männer die vermeintlich überragende Bedeutung der Jagd, bzw. der tierischen Nahrung und der männlichen Arbeitsleistung herangezogen. Eine egalitäre Gemeinschaft kennt nur Gemeinschaftseigentum aus der gemeinschaftlichen Jagd, Kleintierjagd, Ernte und Sammelleistung. Über die Dominanz eines Geschlechtes lässt sich daraus natürlich nichts ableiten, auch wenn der Anteil der pflanzlichen Nahrung um die 75% betrug.
Satz 12: Die Geschlechtszugehörigkeit bestimmte nicht über die Rolle des Individuums in der Gesellschaft.
Kommentar 12: Die Archäologie kann darüber keine Aussage treffen. Der soziologische Begriff "Rolle" meint die gesellschaftliche Stellung und die ihr zugehörigen arbeitsteiligen Aufgaben. In einer egalitären Gemeinschaft beruht die Arbeitsteilung auf geschlechtspezifischen Fähigkeiten und biologischen Anforderungen. Letztlich bestätigt dieser Satz die Annahme einer egalitären, matrifokalen Gesellschaft, gegen deren Existenz kein Fund von Çatal Höyük spricht. Çatal Höyük befindet sich am Übergang von der matrifokalen Wildbeutergemeinschaft zur neolithischen Ackerbaukultur. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung der Männer als Jäger und der Frauen als Hackbäuerinnen wurde im Kommentar zu Satz 11 schon festgestellt.
Zum Schluss noch ein Blick auf die Überschrift: Figurinen, die Große Göttin und das Matriarchat
Kommentar 13: Der Begriff "Matriarchat",
der ausschließlich in der Überschrift verwendet wird, dient offensichtlich
dem Zweck, den BesucherInnen
der Ausstellung den Glauben zu vermitteln: Da es kein Matriarchat (wie inzwischen
allgemein bekannt) gab, hat es in Çatal Höyük auch keine Matrilinearität des
Verwandtschaftssystems und somit keine Matrifokalität der Gemeinschaften gegeben.
Auf jeden Fall beweist die Beliebigkeit und Ungenauigkeit der Verwendung dieser
Begriffe die mangelhaften Kenntnisse der AutorInnen über soziale Sachverhalte
und gesellschaftswissenschaftliche Termini.
FAZIT: Als Wissenschaft getarnte Ideologie gewürzt mit
geschickter Polemik macht aus Çatal Höyük eine patriarchale Gemeinde,
für die aber die Belege
gänzlich fehlen.
4.4. Ideologieverdacht
Kein anderer Forschungsgegenstand ist wie die Urgeschichte gefährdet, ideologischen Absichten zu unterliegen, denn ihre Erforschung trifft ins Mark unserer Gesellschaft. Die Geschichte der Erforschung der Matrifokalität ist genauso untrennbar mit der Erforschung der Entstehung des Patriarchats verbunden wie sie sich mit den zeitgenössischen patriarchalen Strukturen auseinandersetzen muss. Der Forschungsgegenstand Patriarchat möchte sich seiner Erforschung entziehen, da er befürchtet, dass dies seinen Untergang bedeuten könnte. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass ausnahmslos alle ForscherInnen in einer Gesellschaft leben, die auf der Ideologie des Patriarchats beruht. Sie können sich von den unbewußten Auswirkungen nicht vollkommen befreien. Ebenso wie ein Fotoapparat keine Bilder von sich selber liefern kann und soll, werden patriarchale Strukturen keine ideologiefreie Geschichte menschlichen Daseins liefern. Um aber zu einem weitgehend objektiven Bild zu kommen, muss also zunächst jeder Forscher und jede ForscherIn die eigene Motivation, aber auch die Aufgabenstellung hinterfragen. Leider ist die universitäre Wissenschaft von Geldgebern abhängig, so dass wir nie sicher sein können, ob die Forschungsergebnisse stimmen.
Mit der Zusammenschau aller Befunde läßt sich der Originalzustand oder die Lebensweise einer Epoche rekonstruieren. Dies erforderte vor der Entwicklung naturwissenschaftlicher und soziologischer Methoden enorme Vorstellungskraft und Phantasie, führte aber für die Urgeschichte zu einer Flut von Thesen, die als "Stand der Wissenschaft" das Bild von der Welt bis heute prägen. Wir kommen heute mit kriminalistischen Mitteln der Wahrheit näher. Im Wege stehen nun aber Denkmäler, Päpste und ganz profan, der Wunsch eine Dauerstelle zu bekommen.
Geschichte ist immer Spiegel dessen, was der Geschichte(n)schreiber für würdig erachtet aufgeschrieben zu werden und dessen, wie er die Geschichte sieht. Bevor in der Wissenschaft über Methodik diskutiert wurde, war dem Betrug, also der Geschichtsklitterung Tür und Tor weit geöffnet. Da für die Urgeschichte keine primären Textquellen vorliegen, können nur spätere, patriarchal kontaminierte Texte untersucht werden. Die ersten geschichtsschreibenden Texte der Menschheit sind neben Königslisten, Gesetzestexten und Herrscherstelen die Mythen. Verwenden wir Sekundärquellen, also Forschungsberichte im weitesten Sinne, sind auch diese aus ihrer Zeitgeschichte heraus zu betrachten. Dabei dürfen wir uns nicht scheuen, wenn nötig, quellenkritisch Denkmäler und Päpste zu stürzen.
Wird ein Artefakt aus seinem Kontext gerissen, besteht die große Gefahr der Projektion heutiger Haltungen auf den Gegenstand. Ein gutes Beispiel dafür liefert der Fund der ältesten Darstellung (35.000 v. heute) eines Menschen, die "Venus von Hohlen Fels". Sie löste bei Presseleuten und auch beim Ausgrabungsleiter vor allem sexuelle Phantasien aus. Solche wurden auch dem "Künstler" unterstellt, der "selbstverständlich" nur ein Mann sein konnte. Bevor er sich gänzlich in Grund und Boden redete, flüchtete sich der Ausgrabungsleiter in eine dümmliche Ausrede: Er sei ja nicht dabei gewesen. Dieses Totschlagargument können wir aber auch für die Geschichte vor unserem Geburtsdatum und unserer Haustür anwenden. Damit wäre alle Forschung überflüssig. Glücklicherweise sind wir nicht angewiesen auf die phantasievollen Interpretationen der Archäologie, die sich in diesem Beispiel einmal mehr als Hilfswissenschaft outet.
Zum Schluss
Vielleicht fällt es manchen, die unter Matriarchat eine herrschaftsfreie, egalitäre Zeit verstehen wollen, nun leichter sich von diesem liebgewonnenen Begriff zu trennen, um dazu beizutragen, die Debatte auf eine wissenschaftliche, nicht mehr ideologieverdächtige Basis zu stellen. Wird dies beherzigt, kann auf die Rhetorik der herrschenden bzw. patriarchalen Wissenschaft angemessen reagiert werden.
ANHANG Beteiligte Forschungsgebiete
Die Matriarchatsforschung hat stets auch für sich in Anspruch genommen, Urgeschichtsforschung zu sein, weil sie archäologische und paläoanthropologische Befunde in ihre Thesen mit einbezieht. Anders herum haben viele UrgeschichtsforscherInnen, deren Arbeit von der Matriarchatsforschung rezipiert wurde, stets verneint, MatriarchatsforscherInnen zu sein. ForscherInnen, die Matrifokalität untersuchen, können und müssen sich aller Wissenschaften bedienen, um ihre These zu untermauern! Umso erfreulicher ist, dass gerade jede der hier kurz erläuterten, messenden Naturwissenschaften Indizien für die Existenz urgeschichtlicher Matrifokalität verifiziert hat oder dazu beitragen kann, diese zu verifizieren.
Die Archäologie entwickelt Grabungstechniken, mit denen sie fundträchtige Orte untersucht. Sie birgt Artefakte und Bauteile, die in kunstgeschichtlichen Zusammenhang gestellt werden müssen. Sie entwickelt dafür Ordnungssysteme und unter Zuhilfenahme physikalischer Methoden ordnet sie Funde zeitlich ein. In Zusammenarbeit mit Anthropologie und Biologie birgt die Archäologie menschliche, tierische und pflanzliche Überbleibsel und lässt diese auswerten. Zu den Aufgaben der Archäologie gehört auch die Konservierung der Funde unter Zuhilfenahme chemischer und physikalischer Methoden. Die Befunde archäologischer Forschung werden aufbereitet und der Wissenschaft und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Die Auswahl der Fundorte und Funde bedeutet bereits eine erste Interpretation bzw. Wertung.
Die Sprachwissenschaften, die in letzter Zeit stark mit der Genetik zusammenarbeiten, versuchen den Stammbaum der Sprachen zu beschreiben und zu lokalisieren. Die Forschung erhofft sich davon Erkenntnisse über die Wanderungsbewegungen der Menschheit. In der Sprache und im Ausdruck wird nach kulturell bedingten Ausprägungen gesucht, die eine Gesellschaft kennzeichnen.
Die Ethnologie bzw. Völkerkunde beobachtet und beschreibt gegenwärtige menschliche Lebensweisen. Aus früheren und aktuellen Beobachtungen wird versucht, die Entwicklung einer Ethnie darzustellen. Die Ethnologie hat inzwischen eine eigene Forschungsgeschichte, die die großen Schwächen historischer ethnologischer Befunde deutlich macht. Hier wären vor allem die Berichte der Missionare zu nennen. Analogieschlüsse von der Völkerkunde auf die Urgeschichte werden gezogen, sind aber äußerst problematisch, auch weil sich die natürliche Lebensweise der Art Mensch mit der Entstehung des Patriarchats vollkommen wandelte, und kein Volk und keine ForscherIn mehr frei ist von patriarchaler Kontamination.
Die Ethologie, allgemein die Lehre vom Verhalten, versucht
die instinktiven, angeborenen Verhaltensweisen des Menschen herauszuarbeiten,
untersucht menschliches Verhalten im kulturellen Umfeld und vergleicht beides
miteinander. Sie bedient sich u.a. medizinisch-physiologischer und psychologischer Methoden.
Die Befunde fließen auch in die Soziologie ein. Die Soziologie liefert
den Kulturwissenschaften Modelle und - wie bereits erwähnt - Begriffe für Formen
menschlichen Zusammenlebens. In den siebziger Jahren hat sich im Bereich der Soziologie ein
neuer Zweig gebildet, der früher Frauenforschung genannt wurde, und jetzt unter
der Bezeichnung Geschlechterforschung, resp. Gender-Studies zu
finden ist. Die kurze Übersetzung für "Gender" lautet soziales
Geschlecht. Eine geläufige Definition lautet wie folgt: "Gender bezeichnet
ein komplexes, aus mehreren Einzelkomponenten bestehendes soziales Phänomen.
Es beschreibt sowohl die gesellschaftlichen Erwartungen als auch die Verhaltensweisen
und das Selbstverständnis von Personen in bezug auf ihr Geschlecht. Unter gender werden
beispielsweise Geschlechterrolle, -identität, -varianz, -zuordnung, -status,
und -ideologie zusammengefasst." (Brandt, Owen, Röder in: "Frauen Zeiten Spuren" 1998,
S.19)
Gender-Studies fließen mittlerweile in alle Kulturwissenschaften ein. In der Archäologie bedeuten
die Untersuchungen zu Gender für viele Funde, dass alle sie betreffenden kulturell
bedingten Sehgewohnheiten, die mutmaßlich von Rollenklischees gekennzeichnet
sind, ausgeklammert werden. Als Beispiel wären Grabbeigaben und anthropomorphe
Figurinen, der Geschlecht nicht eindeutig erkennbar ist, genannt.
Die Sozialökonomie brachte u.a. die Erkenntnis hervor, dass die Lebensweise einer Gemeinschaft oder Gesellschaft auch die religiösen Vorstellungen prägt, und ist daher mit der Religionsgeschichte verbunden. Diese ist bemüht sich um die Erforschung des Phänomens Religion und der Theologie, macht aber keine Theologie. Theologie baut ein Gedankengebäude um religiöse Vorstellungen herum, kurzum schreibt vor, was Menschen glauben sollen. Theologie ist ein Phänomen des Patriarchats, ist politisch motiviert, kann daher auch als politische Theologie bezeichnet werden.
Die Märchenforschung sucht u.a. die Ursprünge der Motive aus Märchen in den Mythen. Damit ist die Märchenforschung von der Mythenforschung abhängig und darüber mit den Religionswissenschaften verbunden, denn Mythen beschreiben Entwicklungsvorgänge und Zustände religiöser Vorstellungen bzw. der Theologie. Im Märchen werden auch sog. Archetypen (nach C.G. Jung) herausgearbeitet und ihr Auftreten wird tiefenpsychologisch gedeutet. Im Verhalten der Protagonisten einer Erzählung wird also nach ursprünglichen Mustern gesucht und Reaktionen auf bestehende Schwierigkeiten darauf zurückgeführt.
ANHANG Lebenswerke
Marija Gimbutas (1921-1994)
Marija Gimbutas, Professorin für Archäologie an der Universität von Kalifornien,
Los Angeles (UCLA) erreichte in der archäologischen Fachwelt durch ihr Lebenswerk
Berühmtheit. Die Bedeutung ihrer Arbeiten wird z. B. mit der Entzifferung der
Hieroglyphen verglichen oder mit den Ausgrabungen von Troja (J. Campbell/A.
Montagu, aus einem Prospekt von Zweitausendeins, 1997), dementsprechend häufig
wird sie zitiert.
Als Marija Birute Alseikaite heiratete sie früh Jurgis Gimbutas, später Dr. der Ingenieurswissenschaften.
Sie war zu dieser Zeit Widerstandskämpferin gegen die sowjetische Besetzung
Litauens 1940. 1942 erwarb Marija Gimbutas den Magisterabschluss in Archäologie
an der Universität Vilnius und forschte zunächst alleine. Während ihrer Promotionsphase
in Tübingen wurde sie Mutter einer Tochter und blieb nach ihrer Promotion
Privatgelehrte.
1947 bekam sie abermals eine Tochter. In diesem Jahr wurde die Familie in ein Flüchtlingslager verfrachtet,
wo die Kinder unter den Leidensgenossinnen Betreuung fanden. 1949
wanderte die Familie in die USA aus, wo Marija Gimbutas zunächst in verschiedenen
Jobs arbeitete, u.a. als Dienstmädchen, dies nicht ohne ihre Studien fortzusetzen. 1953 erhielt sie
ein Forschungsstipendium und arbeitete und studierte in der Peabody Library
in Harvard.
1954 kam ihre dritte Tochter zur Welt. 1955 wurde sie als Mitglied der Forschungsgemeinschaft
am Peabody Museum geehrt. 1963 ging sie als Professorin an die UCLA und wurde 1989 emeritiert. (Schulte
1995)
Marija Gimbutas entwickelte die These, dass die matristische Lebensweise, wie sie sie zeitweilig nannte, in Alt-Europa mit der Indoeuropäisierung ab ca. 4500 v.u.Z. unterging. Sie bezeichnete die frühen IndoeuropäerInnen als Kurganvölker, benannt nach den für sie typischen Hügelgräbern, die in Russland Kurgane heißen. Die von ihnen zuerst domestizierten Pferde ermöglichten diesen nomadischen Hirtenvölkern nicht nur eine schnelle Einwanderung aus dem Osten, vermutlich vom Kaspischen Meer, der Wolgasteppe und dem Ural, sondern bedeuteten auch eine kriegerische Überlegenheit gegenüber den friedliebenden alt-europäischen UreinwohnerInnen.
In ihrem gelungenen Versuch einer Rekonstruktion der steinzeitlicher Glaubensvorstellungen, veröffentlicht z.B. in den Werken "Die Sprache der Göttin" und "Die Zivilisation der Göttin, klassifizierte Marija Gimbutas Muster, aber auch Formen von Keramiken, Figurinen und Wandbilder, deren Symbolik sie als Ausdrucks der Weltreligion der Grossen Göttin deutete. Ihre Arbeiten sind für die Deutung der Bildwerke Çatal Höyüks von grösster Bedeutung, welche sie stets in ihre Untersuchungen einbezog.
Marija Gimbutas sah in der Tatsache, dass in den Kurganen auf alt-europäischem
Boden fast ausschließlich Männer bzw. Fürsten bestattet waren, im Gegensatz
zu den gleichberechtigten Bestattungen der Urbevölkerung, den Beleg für
ihre These. Diese These ist jedoch umstritten. Natalia Polosmak vom Institut für
Archäologie und Ethnologie der Akademie der Wissenschaften in Moskau sieht
in dem 1996 in Sibirien gefunden Kurgan-Grab einer Schamanin der Pazyryk-Kultur
den Gegenbeweis dafür. Die etwa 23-jährige Frau war geschmückt mit Tätowierungen
in "Sonnenhirsch-Symbolik". Sechs goldbelegte Pferdegerippe und reiche
Grabbeigaben würden sie als "Priesterin der Sippe mit königlichem Status" ausweisen.
Dieses Kurgan-Grab zusammen mit einem anderen eines Kriegers, der mit gleicher
Symbolik bestattet war, sprächen für eine "Ausgewogenheit der Geschlechterrollen"
mit einer frauenzentrierten Religion. Riane Eisler konnte jedoch nachweisen, dass
der Übergang zur indoeuropäisierten Kultur innerhalb der neuen, dominatorischen Gesellschaft fließend war und die alten Glaubensvorstellungen
und Symbole immer wieder zum Vorschein kamen. Sie wurden von der weiblichen Urbevölkerung, die die Kurgan-Überfälle überlebte, tradiert und an die folgenden Generationen
von Mischlingen weitergegeben. Ein Schamaninnengrab steht also nicht im Gegensatz zur Kurgan-These. Ebenso konnte Gerhard Bott nachweisen, dass
auch die Hirtenvölker, die die Kurgankultur gewaltsam verbreiteten, aus einer matrifokalen Urbevölkerung hervorgingen, deren Lebensweise und
Kultur durch den Übergang vom Ackerbau zur Nomaden-Viehzucht patriarchalisiert wurde. In den patriarchalen
Stadtstaaten Mesopotamiens waren Frauen die Vorsteherinnen der Tempel der Großen Göttinnen Innana und Ishtar.
Der Archäologe Colin Renfrew ging davon aus, dass die Indoeuropäisierung über
Anatolien voran kam. Diese These versuchten die Biologen Russell Gray und Quentin Atkinson mit einer mathematisch-statistischen Untersuchung des
Stammbaums der indoeuropäischen Sprachen bestätigen. Der Linguistiker Harald Haarmann und der Genetiker Luigi Cavalli-Sforza
konnten die These nach Marija Gimbutas bestätigen. Cavalli-Sforza sah aber eine Mischung beider Thesen als
wahrscheinlich an, was sich durch neuere Untersuchungen der Max-Planck-Gesellschaft bestätigte.
Die Befestigungen der spätbandkeramischen Siedlungen werden oft als Argument angeführt, um
die Egalität der Kulturen des Alten Europa als unmöglich erscheinen zu lassen. Auch Riane Eisler schloss Aggressionen für die matrifokalen Gemeinschaften nicht aus, wenngleich
sie nicht die Regel gewesen und vor allem nicht heroisiert worden seien. Die Kunst der Bandkeramik und auch der Donauzivilisation, aus der sie hervorging, bildet keine kriegerischen Handlungen, Herrscher oder Kriegssymbolik ab.
Inzwischen wissen wir, dass die Befestigungen Ausdruck dafür sind, dass die Bandkeramische Kultur aufgrund von Klimakatastrophen unter einen inneren Druck der Selbstpatriarchalisierung geriet.
Das sog. Massaker von Talheim fand gegen Ende der Bandkeramik statt (ca. 4850 v.u.Z.).
Die Angreifer waren ihrer Meinung nach Kurgan-Krieger (Gimbutas 1991, S.365), was sich jedoch durch neuere C14-Daten und auch genetisch nicht bestätigen ließ (Vgl. Uhlmann 2012).
Das ändert jedoch nichts an ihrer bahnbrechenden Kurgan-These, die sie ohne naturwissenschaftliche Mittel aufgestellt hatte. Mittlerweile sind ihre schärfsten Kritiker und Feinde weitgehend verstummt. Außer Sir Colin Renfrew ist jedoch bis heute keine Persönlichkeit der Herrschenden Lehre bereit, Marija Gimbutas zu rehabilitieren. Stattdessen schreiben sich jetzt andere die
Entdeckung der Indoeuropäisierung auf ihr Fähnchen.
Link zum Film über
Marija Gimbutas
Marie E. P. König erforschte die Kulthöhlen Frankreichs vor Ort, und entdeckte dort die ältesten Spuren des steinzeitlichen Weltbildes. Dabei waren es nicht nur die berühmten Höhlen von Pech Merle oder Lascaux, deren Tierdarstellungen sie als Metapher für das weibliche Prinzip erkannt hat, sondern vor allem die weitgehend unbekannten und schwer erreichbaren Höhlen im Wald von Fontainebleau, in denen sie u.a. zum ersten Mal die Vulva-Symbolik in den von Menschen in den Fels gehauenen Zeichen erkannte und die Netzmuster und Linien, die dort ganze Wände und Böden überziehen als ersten Ausdruck einer Vorstellung von den Himmelsrichtungen deutete. Sie war es auch, die den Zusammenhang des Mondkultes mit der Stier-Symbolik erklärte.
Bemerkenswert ist dabei, dass Marie E.P. König erst mit 50 Jahren, nach dem Auszug der Kinder, begann, auf eigene Faust die Dinge zu erforschen, die sie seit ihrer Kindheit beschäftigten. Sie ist zwar in der feministischen Forschung anerkannt, wird aber in der übrigen Fachwelt namentlich ignoriert, da sie "nur" Autodidaktin war. Dennoch haben sich ihre Erkenntnisse, die sie in zahlreichen Büchern veröffentlichte, "herumgesprochen" und sind wie selbstverständlich in die Deutungsversuche anerkannter ForscherInnen eingeflossen. Dies betrifft vor allem ihre Arbeiten zur Vulva-Symbolik, die mittlerweile fester Bestandteil von Deutungsspektren geworden ist, wie sie auch von James Mellaart (s. 3.3.1.) auf die in Çatal Höyük gefundenen Bildwerke angewendet wuirde.
Marie E.P. König hat wie Marija Gimbutas stets darauf wert gelegt, nicht als Matriarchatsforscherin, sondern als Urgeschichtsforscherin bezeichnet zu werden. Beide bezeichneten sich ausdrücklich nicht als Feministinnen.
Gerda Lerner (1920-2013)
Gerda
Lerner war eine österreichisch-amerikanische Historikerin, Dozentin und
Autorin. In ihren jungen Jahren engagierte sie sich gegen den Faschismus
und ging nach der Inhaftierung ins Exil in die USA.
Für diese Zeit beschrieb sie sich als Mutter, Sozialistin und Kommunen-Aktivistin
(vgl. Fireweed: a Political Autobiography, 2002). Sie veröffentlichte
bald erste eigene Texte und schrieb Filmskripte. Durch den Krieg, das Exil
und ihre Mutterschaft war ihre Ausbildung unterbrochen, und sie
begann ihre Universitätslaufbahn
später mit 46 Jahren. Mit wichtigen Forschungsarbeiten
machte sie sich als feministische Historikerin einen Namen und
erhielt zahlreiche
Preise und Auszeichnungen. Aufgrund ihres Einflusses und ihrer Ämter konnte
sie die Darstellung weiblicher Geschichte an den amerikanischen Hochschulen
reformieren.
Das Buch "Die Entstehung des Patriarchats" (1986) gehört zu ihrem Spätwerk
als Universitätsprofessorin (bis 1990). Sie erklärte darin, warum das
Patriarchat von Männern und auch Frauen geschaffen wurde und nicht allein
auf das Machtstreben von Männern
zurückzuführen sei. Die patriarchale Familie war, so schrieb sie, Keimzelle
archaischer Staaten. Geschlechtsspezifische Rollenerwartungen sind, so erklärte sie,
hier entstanden und die Sexualität der Frau wurde hier zum Tauschobjekt.
Am Beispiel der frühen Staaten Mesopotamiens, deren Organisation und Religion,
untersuchte sie die Entwicklung der Stellung der Frau. Ein
Ziel des Buches war auch, der Irrlehre vom Matriarchat nüchterne Wissenschaft
entgegenzusetzen. Der Nachweis, dass das Patriarchat
nicht naturgegeben ist, sondern aus dem wirtschaftlichen Wandel des Neolithikums
hervorging, ist Gerda Lerner in besonderem Maße gelungen.
Tondokument von 2009: Gerda Lerner stellt ihre Biografie vor.